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Marchesi Albiera

Marchesi Albiera Marchesi Albiera, Allegra und Alessia Antinori

Europas grösstes Weingut geht nach 25 Generationen in weibliche Hände über

Die Marchesa mag es modern. Im Erdgeschoss des Palazzo Antinori, Renaissance-Juwel im Herzen von Florenz, sitzt die blaublütige Geschäftsfrau, 34, in ihrem winzigen Büro. Papierstapel, weisse Schreibtischplatte, schwarzer Laptop und davor ein schmales Regal mit einer Auswahl neuester Weinflaschen.

Stammbaum bis ins Jahr 1180

Kinder, Chianti und Computer sind die drei grossen K im Leben der jungen Albiera Antinori. Ihren Stammbaum kann die Marchesa bis ins Jahr 1180 zurückverfolgen. Er hängt als riesiges Ölgemälde in der verglasten Loggia im Obergeschoss des feudalen Wohn- und Firmensitzes und ist so ausladend, dass er an keiner Wand ihres funktionalen Arbeitszimmers Platz finden würde.

Winzerblut fliesst seit 616 Jahren in den Adern des Geschlechts: 25 Generationen des Florentiner Clans Antinori widmen sich schon dem Wein - ausnahmslos Männer.

Doch nun übernehmen zum ersten Mal in der Geschichte der alten Kaufmannsdynastie drei junge Frauen Verantwortung in dem mit 2000 Hektar Rebfläche grössten in Familienbesitz befindlichen Weinbaubetrieb Europas. Die drei grossen A der Antinoris heissen Albiera, Allegra (29) und Alessia (25). Sie sind Töchter des Markgrafen Piero Antinori. Der ist in den vergangenen beiden Jahrzehnten mit seinem Innovationsgeist und Charme zu einer der treibenden Kräfte hinter dem formidablen Aufstieg des italienischen Weins geworden.

Seit im antiken Oinotria, wie die Griechen das Weinland Italien nannten, Winzer wie Antinori Schluss machten mit Sorglosigkeit, Schlendrian und althergebrachten Anbau- und Keltermethoden, hat sich die Mittelmeernation vom führenden Massenhersteller der Welt in eine gefürchtete Konkurrenz der vornehmen französischen Winzer-Elite gewandelt.

Gekrönt hat den Einsatz des toskanischen Marchese erst vor wenigen Monaten die US-Zeitschrift Wine Spectator, die wohl einflussreichste Önologen-Bibel der Welt. Die Jury des Blattes kürte Antinoris Solaia 1997 aus dem Kernland des Chianti Classico nach der Probe von insgesamt 11'000 Etiketten zum Wine of the year 2000. Nie zuvor hatte ein italienischer Spitzenwein die begehrte Auszeichnung errungen.

Selbst im Hauptquartier der Familie an der Florentiner Piazza degli Antinori traf die Nachricht im Januar völlig unerwartet ein, erzählt Albiera strahlend. Die Auszeichnung sei die Anerkennung der persönlichen Leistung ihres Vater gewesen. Er hat sich den Solaia in den siebziger Jahren ausgedacht, sagt die Tochter stolz. Etwas leid tat der Marketing-Chefin nur, dass man keinen Tropfen des aus Cabernet- und Sangiovese-Trauben gekelterten Roten mehr im Keller hatte: Wir konnten mit Hilfe des Spectator keine Flasche mehr verkaufen, sie waren längst alle weg.

Geschäftstüchtig, direkt und erfrischend

Geschäftstüchtig, direkt und erfrischend unkompliziert - so lebt auch in der Erstgeborenen der 26. Antinori-Generation die offene Art des Herrn Papa weiter. Als das Besondere ihrer Familie empfinde sie nicht den aristokratischen Titel, sondern die grosse kaufmännische Vergangenheit, sagt sie mit ungeschminktem Mund im schlichten grauen Business-Anzug.

Seidenhandel, Wolle, Geldgeschäfte - in Florenz' glanzvoller Renaissance-Epoche hatten die Vorfahren Albieras halt überall ihre Finger drin. Heute verbindet die Fachwelt den Namen Antinori mit der Renaissance des Chianti. Vom fiasco, jener bauchigen, mit Bast umwickelten Chianti- Flasche, die auch auf deutschen Grillparties und WG-Feten zum Inbegriff des fröhlichen roten Zechweins wurde, haben wir uns schon Anfang der siebziger Jahre verabschiedet, erklärt Albiera.

Der Vater holte Önologen und fremde Reben auf seine Güter. Er erschloss brachliegende Weinberge, neue Kelterverfahren und setzte sein ausgeprägtes Marketing-Talent ein. Dem traditionellen, etwas farblosen und säuerlichen Chianti setzte Antinori seinen Tignanello entgegen, der wie kein anderer den Neubeginn einer ganzen Weinregion markierte. Der in Barriquefässern gereifte Rote war sein erster Super-Tuscan, wie die Amerikaner die völlig gewandelten toskanischen Edeltropfen rasch tauften.

Umsatz im Jahr 2000: 15 Millionen Flaschen Wein

Mit 15 Millionen Flaschen Wein und rund 30 Etiketten setzten die Marchesi Antinori im vergangenen Jahr 175 Millionen Mark um. Während das Absatzvolumen stabil ist, legte der Umsatz in den vergangenen fünf Jahren um 84 Prozent zu. Dahinter steht neben dem Preisauftrieb bei italienischen Spitzentropfen die deutliche Verschiebung im Angebot der Marchesi. Gegenüber Verkaufsschlagern wie dem fruchtigen Roten Santa Cristina und dem leichten Weissen Galestro Capsula Viola, die in Antinori-Kellern mit zugekauften Trauben hergestellt werden, gewinnen die Rebsäfte aus den eigenen Besitztümern stark an Gewicht. Wir setzen immer mehr auf die Persönlichkeit des einzelnen Weinbergs, begründet Albiera den massiven Zukauf von Toplagen.

Im Piemont etwa legte sich die Familie 1995 das kleine, aber feine Weingut Prunotto zu. Mein Trainingslager nennt Albiera den Winzbetrieb in Alba, mitten in den Barolo- und Barbaresco-Hügeln der Langhe, für den sie vom ersten Tag an allein verantwortlich war.

Gerade hatte sie zwei Kinder zur Welt gebracht und stand vor der klassischen Bewährungsprobe, vor die ein Vater den ältesten Nachkömmling stellt. Albiera zeigte, wie eine echte Antinori - trotz der 616 Jahre im Geschäft - mit Traditionen umgeht. Nämlich eher respektlos.

Ziemlich viel Staub hätte sich auf dem Prunotto-Gut abgesetzt, meint sie rückblickend. Und ist stolz darauf, dass heute keiner ihrer Beschäftigten in Alba älter als 35 Jahre ist. Wer heute zu viele Traditionen hinter sich herschleppt, schadet der Entwicklung einer neuen Identität der Weine, meint sie bestimmt.

Das Unterfangen scheint geglückt zu sein: Der italienische Weinführer Gambero Rosso lobt die Prunotto-Winzerin für den Aufbau einer neuen, in ihrer Qualität beispielhaften Produktion über den grünen Klee. Der Umsatz in Alba stieg von drei auf fast 12 Millionen DM.

Inzwischen widmet sich Albiera ihrem neuen Projekt im toskanischen Stammland der Familie. Mitten in den Weingütern im Chianti Classico baut sie mehrere vom Verfall bedrohte Höfe zu luxuriösen Feriendomizilen aus. Die ersten der ingesamt 22 Appartements, mit Satellitenfernsehen, Internet- Anschluss und Blick auf Weinreben, sind fertig.

Auch die jüngeren Schwestern sind ins Geschäft eingestiegen. Während sich Allegra Antinori um die gastronomischen Initiativen des Weinhauses kümmert, experimentiert die studierte Önologin Alessia mit neuen Reb-Klonen und Gärmethoden. Konkret denkt hinter der strengen Natursteinfassade im Hause Antinori noch niemand an den Rückzug des Marchese. Prinzipiell ist die Machtübergabe ans weibliche Geschlecht jedoch ausgemachte Sache. Zumal die angeheirateten Männer der adeligen Chianti-Girls ihre eigenen Firmen im Kopf haben.

Ins Geschäft verliebt

Sich nicht in den Weinanbau zu verlieben, ist schon schwierig, sagt Albiera, die der Winzerei so leidenschaftlich verfallen scheint wie der Vater. Nur das rasante Business-Tempo der Start-up-Unternehmen ihres Mannes Giovanni Rimbotti, der in der Florentiner New-Economy-Szene mitmischt, macht sie manchmal neidisch. Bis sie den Erfolg ihrer Arbeit in neuen Weinbergen messen kann, vergehen sieben bis acht Jahre. Man muss eine Ewigkeit warten, klagt sie, umgeben von Gemälden und Gobelins, den stummen Zeugen eines halben Jahrtausends Antinori-Historie.

Von Ulrike Sauer
www.sueddeutsche.de




Antinori Brunello, Chianti Classico, Bolgheri: Namen, die uns einfallen, wenn wir an grosse ­ sei es traditionsreiche oder innovative ­toskanische Rotweine denken. Antinori produziert in seinen toskanischen Weingütern einige der besten davon: Vino Nobile di Montepulciano auf dem Gut La Braccesca; Brunello di Montalcino auf dem Gut Pian delle Vigne (der erste Jahrgang wird im Jahre 2000 auf den Markt kommen); Chianti Classico und grosse toskanische Rotweine, die Geschichte gemacht haben, auf den Gütern Santa Cristina, Pèppoli und Badia a Passignano; innovative Rotweine auf dem Gut Belvedere bei Bolgheri, nahe der toskanischen Küste südlich der Hafenstadt Livorno. Die besten Antinori-Weissweine stammen hingegen aus dem Castello della Sala.
 
 
 

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